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Al Watan

Zupfen verbindet

makoge gibt Flüchtlingen ein musikalisches Zuhause.

Bericht des Magazins „Auftakt“ über das Projekt für Geflüchtete.

von Leon Hohmann

Wir schaffen das – wir schaffen das nicht: Kaum ein anderes Thema bewegt die deutschen Gemüter momentan so sehr wie die Diskussion über die Flüchtlinge und deren Integration. Die schier endlose Flut von flüchtenden Menschen löst nicht nur sachliche Diskussionen und emotionale Stammtischparolen aus, sondern auch eine Welle der Hilfsbereitschaft. Ein bemerkenswertes Beispiel hierfür ist ein Projekt aus der Nordrhein-westfälischen Großstadt Wuppertal, das die Mandolinen-Konzertgesellschaft (makoge) bereits im letzten Herbst ins Leben gerufen hat. Mit kostenlosem Instrumentalunterricht und Konzertbesuchen sowie speziell von Flüchtlingen ausgerichteten interkulturellen Konzerten sollen die Schutz suchenden Menschen ein Stück Normalität in ihrem Alltagsleben erfahren. Bei den Teilnehmern und den Mitgliedern des Zupforchesters aber auch bei der Stadt Wuppertal findet das Engagement der makoge großen Anklang.

Eigentlich sei es immer klar gewesen, dass sich die makoge um Flüchtlinge kümmern wolle, erklärt Thomas Horrion, stellvertretender Vorsitzender, von den Anfängen des Projekts der Zupfer. „Eine Ausschreibung vom Landesmusikrat hat das Projekt dann aber beschleunigt.“ Nach Planungen im September begann der Instrumentalunterricht bereits im Oktober des vergangenen Jahres. Mittlerweile musizieren 34 junge Menschen zwischen fünf und 30 Jahren auf der Gitarre, Bağlama – einer türkischen Laute – und natürlich der Mandoline. Sie kommen aus afrikanischen Ländern und aus dem Nahen Osten. Das Engagement des Orchesters ist schnell erklärt: „Wir wollen den jungen Menschen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung anbieten“, sagt Horrion. Getreu dem Motto „Jeder macht, was er kann“ habe das Zupforchester auf die aktuelle Situation reagiert. Anfangs habe es einige Hürden gegeben. „Es stellte sich zum Beispiel die Frage, wie man Kontakt zu den Flüchtlingen aufbaut.“ In Wuppertal gebe es keine großen zentralen Unterkünfte, fast alle Flüchtlinge seien auf Wohnungen im gesamten Stadtgebiet verteilt, berichtet er. Wer helfen wolle, müsse sich an die Sozialarbeiter der Stadt wenden. Ein nicht immer einfaches Unterfangen, denn einige Ansprechpartner waren mit der primären Versorgung der Flüchtlinge häufig überfordert. Horrion relativiert dies: „Die Zusammenarbeit mit der Stadt läuft aber grundsätzlich positiv.“ Als vorbildlich bezeichnet er die Unterstützung der Mitarbeiter vom Ressort für Zuwanderung und Integration, vom Kulturbüro sowie der Bergischen Musikschule. Mittlerweile laufe das Projekt aber sehr gut und man könne pausenlos weitere Teilnehmer aufnehmen. In diesem Zusammenhang betont Horrion die besondere Rolle, welche die Musikschule als städtische Einrichtung spielt.

Musikschule ist offen für Projekt

„Wir stellen für das Flüchtlingsprojekt der makoge unsere Räume zur Verfügung, helfen bei der Beschaffung von Instrumenten und vermitteln Lehrkräfte“, erklärt Renate Schlomski. Sie ist die Leiterin der Wuppertaler Musikschule. Die Motivation ist ihr Grundsatz: „Die Bergische Musikschule steht allen an Musik interessierten Menschen offen. Es ist uns ein Anliegen, gerade den Menschen einen Zugang zur Musik zu ermöglichen, die Leid erfahren und ihre Heimat verloren haben.“ Mit ihrem Engagement wolle man den Flüchtlingen Normalität vermitteln, sich offen zeigen, Nächstenliebe zeigen. Ihre Flucht und ihr Aufenthalt sei für die Flüchtlinge eine chaotische Zeit, da wolle man ihnen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung bieten, so Schlomski und es zeigt sich: makoge und Musikschule verfolgen das gleiche Ziel, sind in diesem Projekt unverzichtbar füreinander – beide sind idealtypisch offen und organisatorisch eng miteinander verzahnt.

Für alle Beteiligten ein Gewinn

Das Engagement der Musikschule ist jedoch noch größer und baut eine Brücke zum normalen Einzel- und Gruppenunterricht auf. Dazu gehört etwa das Schicksal vom 14-jährigen Kareem, der erst im vergangenen Herbst nach Deutschland gekommen ist. In seinem Heimatland Syrien erhielt er bereits zwei Jahre Gitarrenunterricht. „Ich entdeckte Kareem völlig versonnen und versunken mit der Gitarre im Arm auf einer Infoveranstaltung. Er hat mich berührt. Er spielte hingebungsvoll die Stücke, die er zuletzt in seiner Heimat gelernt hat“, berichtet die Musikschulleiterin. Seit Oktober erhält er ebenfalls kostenlosen Unterricht, aber alleine und bei einem Musikschul-Professor. Ein Gewinn für Kareem, für die Bergische Musikschule aber auch für das Wuppertaler Zupforchester: „Zusammen mit einem Cellisten und einem weiteren Gitarristen aus Syrien nimmt Kareem an den wöchentlichen Proben teil“, erklärt der makoge-Vorsitzende Matthias Kolb. Die drei Flüchtlinge seien sehr gut angekommen und bereits Teil des Orchesters geworden. „Ab und zu sprechen wir halt Englisch in den Proben.“ Kolb sagt, die Flüchtlinge würden genau so aufgenommen wie alle anderen Mitspieler und es gebe keinen großen Unterschied– generell sei die makoge multikulturell geprägt. „Wir haben schon immer Mitspieler aus vielen Ländern gehabt“, berichtet er.

Impulse von beiden Seiten

Geprägt haben die Flüchtlinge aber auch den Instrumentalunterricht: „Ich musste mich auf einen anderen Unterrichtsstil einrichten. Das heißt viel mehr zeigen, weniger Worte, viel mehr anfassen, viel mehr Finger führen“, erklärt Fani Papadopoulou. Das klappe aber sehr gut. „Die ersten Stunden waren sehr hart, jetzt wird es aber einfacher“, sagt die Gitarrenlehrerin. Insgesamt zu dritt vermitteln die Lehrerinnen ihr Wissen über die Gitarre, Mandoline oder die Bağlama. Papadopoulou berichtet: Viele der Flüchtlinge seien sehr engagiert und ehrgeizig bei der Sache – in einigen Fällen sogar mehr als Jugendliche, die hier aufgewachsen seien. Bei zwei Konzerten führten die Projektteilnehmer gemeinsam erste Lieder auf – zusammen mit einem Zupfensemble der Bergischen Musikschule. „Das schafft einen nachhaltigen integrativen Wert“, erklärt Thomas Horrion. Dies sei die Besonderheit an der Flüchtlingshilfe seines Orchesters.

Weit über die Grenzen des Projekts ging auch die Hilfe für den syrischen Gitarristen Alaa, der über das Flüchtlingsprojekt zur makoge kam. „Ich habe ihn über das Projekt kennengelernt und an die Musikhochschule vermitteln können“, sagt Horrion. Doch dann gab es nochmal einen Rückschlag. Im Zuge der kommunalen Zuweisung sei der Gitarrist nach Greven gebracht worden – von einem Tag auf den anderen. „Zusammen mit einem Flüchtlingshilfeverein habe ich ihn wieder zurückholen können. Das kommt einem kleinen Wunder gleich.“, berichtet der stellvertretende Vorsitzende und lacht. Alaa erhält nun kostenlosen studienvorbereitenden Unterricht an der Bergischen Musikschule. Außerdem spielt er im Zupforchester mit.

Für Preis vorgeschlagen

Nicht nur Flüchtlinge aus neun Ländern sind auf das spezielle Programm der makoge aufmerksam geworden. Auch die Stadt Wuppertal zeigt sich beeindruckt von der Tätigkeit des Zupforchesters: Mit ihrem Flüchtlingsprojekt biete die Mandolinen-Konzertgesellschaft den jungen Menschen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung und trage zur Integration bei, teilt Matthias Nocke, Kulturdezernent der Großstadt mit. Für die Flüchtlingsarbeit sei das Ehrenamt unerlässlich. „Die Bedeutung der Arbeit kann nicht hoch genug geschätzt werden. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass die Flüchtlinge bei aller Unterstützung, die sie ehrenamtlich erfahren, keiner Beschäftigung nachgehen dürfen“, so Nocke. Er hat das makoge-Projekt deswegen für den Preis der Staatsministerin für Kultur und Medien für Projekte zur kulturellen Teilhabe von geflüchteten Menschen vorgeschlagen. „Ich bin stolz und dankbar, dass es Projekte wie das der makoge in Wuppertal gibt“, erklärt er. Er wolle auf deren Arbeit aufmerksam machen und seine Wertschätzung zum Ausdruck bringen. Unabhängig davon hat sich auch das Ressort für Zuwanderung und Integration der Stadt für die Vergabe des Preises an das Zupforchester ausgesprochen. Bei Redaktionsschluss war das Ergebnis der bundesweiten Ausschreibung noch nicht bekannt.

Trotz aller positiver Resonanzen, gilt es noch manche Hürde zu überwinden. „Natürlich ist die Finanzierung bei solchen Projekten immer eine Herausforderung“, so Matthias Kolb. Die Ausschreibung vom Landesmusikrat habe eine Förderung mit sich gebracht, die allerdings mit Jahresende ausgelaufen sei. Davon wurden die Honorare der Lehrkräfte bezahlt und Instrumente angeschafft. Jetzt finanziert sich das Projekt ausschließlich durch Spenden. Mindestens 8.000 Euro müssen pro Jahr gesammelt werden. „Es gab und gibt große Unterstützung sowohl von Institutionen wie auch von Privatleuten“, erzählt der Vorsitzende. Zuschüsse kamen unter anderem von den Rotariern, Soroptimisten und der Oetelshofen Stiftung. Eine Verdopplung von Spenden durch die Wuppertaler Stadtsparkasse spülte zusätzliches Geld in die Kasse. Bis Oktober 2016 ist das Flüchtlingsprojekt der makoge damit gesichert. Wer spenden möchte, kann dies auf  folgender Internetseite tun:

Das Flüchtlingsprojekt der Mandolinen-Konzertgesellschaft ist Teil der Initiative „Kultur öffnet Welten“ von Bund, Ländern, Kommunen, künstlerischen Dachverbänden und der Zivilgesellschaft. Weitere Informationen zum Engagement des Zupforchesters: 

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